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Periprothetische Infektionen: aktueller Stand der Diagnostik und Therapie

N. Renz, A. Trampuz

Biofilm-assoziierte Infektionen von Gelenkendoprothesen sind ein herausforderndes und komplexes Krankheitsbild und bedürfen des interdisziplinären Managements von erfahrenen Infektiologen, Mikrobiologen, Orthopäden und Unfallchirurgen. Mit einem optimalen Therapiekonzept werden bei periprothetischen Infektionen Behandlungserfolgsraten von über 90 % erreicht.

Infektionen von Gelenkprothesen
© Julianemartens/Fotolia 20 Orthopädie & Rheuma 2015;
Die Infektionsrate nach Implantation einer Gelenkendoprothese reicht von rund 1% bei Hüft- und Schulterprothesen bis hin zu 2–3% bei Knie-, Sprunggelenk- und Ellbogenprothesen. Die wahre Inzidenz liegt wahrscheinlich aufgrund von nicht erkannten Low-Grade-Infektionen deutlich höher [1]. Bei Wechseloperationen steigt das Risiko einer Infektion auf bis zu 15% [2, 3]. Innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Primärimplantation wird das Infektionsrisiko auf 0,5% pro Jahr geschätzt, im weiteren Verlauf beträgt die Infektionsrate 0,2% jährlich. Als Folge der Zunahme von Prothesen-Primärimplantationen und der steigenden Lebenserwartung und somit längerer Liegedauer zeichnet sich ein Anstieg der Protheseninfektionen ab.

Pathogenese und Klassifikation

Die Pathogenese von Protheseninfektionen ist für die Klassifikation und die korrekte Wahl der antibiotischen und chirurgischen Behandlung essenziell [4].
Eine Prothese kann sowohl
1a endogen im Rahmen einer Bakteriämie bei Infekten der:
Luftwege,
der Haut,
des Urogenitaltraktes
im Rahmen einer Zahnbehandlung
wie auch
exogen: während der Operation, nach einer Punktion sowie per continuitatem bei Infektionen der umliegenden Strukturen (Knochen, Haut, Weichteile) bakteriell besiedelt werden [5].

Bereits wenige Bakterien (100–1.000) genügen, um nach Kontakt mit Fremdmaterial eine Infektion zu verursachen. In Form eines Biofilms verschaffen sich Bakterien einen Schutz vor der körpereigenen Immunabwehr sowie vor antimikrobiellen Substanzen und persistieren in dieser Matrix in metabolisch reduzierter Form. Somit sind sie schwieriger zu therapieren als planktonische Bakterien und können nur durch Biofilm-aktive Antibiotika eradiziert werden.

Die häufigsten Erreger sind Staphylokokken, die mehr als 50% der Protheseninfektionen verursachen. Während Staphylococcus aureus als hochvirulenter Keim vorwiegend hämatogen die Prothese infiziert und ein akutes Krankheitsbild hervorruft, sind:

- koagulasenegativen Staphylokokken (Staphylococcus epidermidis als häufigster Vertreter)
niedrigvirulente Organismen, die oft perioperativ die Prothesenoberfläche besiedeln und eine subtile, wenig eindrückliche Klinik hervorrufen.

- andere grampositive Erreger (Streptokokken, Enterokokken) sowie gramnegative Bakterien (vor allem nach Vakuumversiegelung)

- Anaerobier (Propionibacterium acnes) werden bei Protheseninfekten nachgewiesen.

Eine therapeutische Herausforderung stellen die sogenannten Problemerreger („difficult to treat“) dar, gegen die kein Biofilm-aktives Antibiotikum verfügbar ist. Dazu gehören: RifTab.


Einteilung der Protheseninfektionen:

akut

chronisch

Pathogenetisch teilen sie sich auf:

1a hämatogen

1b per continuitatem

2a früh postoperativ < 4 Wochen nach Op.

2b über 3 Wochen Symptomdauer verzögert (low-grade)

Klinik

akute:  Schmerzen, Fieber, gerötetes, geschwollenes Gelenk,

chronische:  Schmerzen, Lockerung der Prothese

Fistel Erreger:
hochvirulent: Staphylococcus aureus, Streptokokken, Enterokokken, gramnegative Bakterien niedrigvirulent: Staphylococcus epidermidis, Propionibacterium acnes chirurgische


Behandlung

Débridement und Erhalt der Prothese

Wechel der mobilen Teile

Prothesenwechsel


In circa 10 % der Fälle handelt es sich um eine Mischinfektion mit Nachweis von mehr als einem Erreger und zu 10–30% kann kein Erreger gefunden werden.


akute Infektion:  handelt es sich, wenn die Symptome kürzer als drei Wochen anhalten (bei hämatogenen Infektionen) oder wenn sich die Infektion innerhalb von vier Wochen nach der Operation oder Intervention (bei postoperativen Infektionen) manifestiert. In diesen Fällen kann der frühe (unreife) Biofilm ohne Prothesenentfernung eradiziert werden.

Alle anderen Prozesse bezeichnet man als chronische Infektionen, bei denen es sich um einen reifen Biofilm handelt und ein Prothesenwechsel unumgänglich ist.

Diagnostik und Definition der Protheseninfektion:

Eine sorgfältige und frühzeitige Diagnostik bei Schmerzen im prothetischen Gelenk ist entscheidend. Jede schmerzhafte Prothese muss bis zum Beweis des Gegenteils als infiziert betrachtet werden, insbesondere in den ersten zwei bis drei Jahren nach der Implantation [6].

Eine prolongierte Wundsekretion nach der Operation (in der Regel länger als sieben Tage), mehrere Revisionseingriffe sowie antibiotische Vorbehandlungen nach der Primärimplantation erhärten den Infektionsverdacht. Zwei klinische Kriterien bestätigen eine Protheseninfektion bereits vor der Operation:

Eine Wunddehiszenz mit eitriger Sekretion sowie eine Fistel im Bereich der Prothese beweisen eine Infektion der Gelenkprothese.

Erhöhte Entzündungswerte im Serum wie Leukozytenzahl oder C-reaktives Protein (CRP) können richtungsweisend sein, sind jedoch bei Low-Grade-Infektionen oft normwertig. Bei jeder schmerzhaften Prothese sollte eine Gelenkpunktion durchgeführt werden, zumal eine erhöhte Zellzahl in der Synovialflüssigkeit (> 2.000 Leukozyten/µl oder > 70 % Granulozyten) mit einer Sensitivität von > 95% ein zuverlässiges

Kriterium für eine Infektion darstellt.

Neue Biomarker in der Synovialflüssigkeit (zum Beispiel α-Defensin) werden zurzeit klinisch geprüft. Vorläufige Ergebnisse zeigen eine gute Sensitivität und Spezifität für periprothetische Infektionen, müssen jedoch in größeren Studien validiert und mit der Leukozytenzahl verglichen werden. Erst bei positiven Studienergebnissen können Biomarker in klinische Leitlinien integriert werden. Die Sensitivität des kulturellen Bakteriennachweises im Gelenkpunktat liegt tiefer als jene der Zellzahl (60–80%), eine negative Kultur schließt eine Protheseninfektion nicht aus.

Molekulare Methoden wie die Polymerase-KettenReaktion (PCR) befinden sich in der klinischen Testphase, können jedoch in Zukunft die Diagnostik kulturnegativer Infektionen weiter verbessern.

Eine diagnostische Arthroskopie ist nur dann indiziert, wenn mithilfe der Punktion keine sichere Diagnose gelingt und keine klare Indikation für einen Prothesenausbau besteht (zum Beispiel Lockerung).

Bildgebende Verfahren haben in der Diagnostik von Protheseninfekten einen untergeordneten Stellenwert, zumal keine Methode eine zuverlässige Differenzierung zwischen einer septischen und einer aseptischer Pathologie zulässt. Hingegen spricht ein frühes Auftreten von radiologischen Abnormitäten (zum Beispiel Lockerung der Prothese, Osteolysen, Ossifikationen et cetera) für eine Low-Grade-Infektion. Zur Planung einer bevorstehenden Operation eines Patienten genügt oft ein konventionelles Röntgenbild, bei Verdacht auf eine Abszedierung ist eine Computer- beziehungsweise Magnetresonanztomografie weiterführend. Nach dem Ausbau der Endprothese sind die Histologie und Mikrobiologie (Kultur) der intraoperativ prothesennah entnommenen Gewebeproben sowie die Sonikation (Ultraschall) des ausgebauten Fremdmaterials richtungsweisend. Mithilfe der Sonikation können Mikroorganismen von der Oberfläche des infizierten Implantates entfernt und dadurch bis zu 1.000mal mehr Bakterien als mit üblichen Methoden nachgewiesen werden.

Die Sensitivität ist insbesondere nach antimikrobieller Therapie besser, weil die im Biofilm geschützten Bakterien trotz Antibiotika überleben und diese in der Sonikationsflüssigkeit nachweisbar sind.


Therapie 

Die aktuellen Therapieempfehlungen zur Behandlung von Protheseninfektionen basieren auf dem Konzept von Zimmerli und Kollegen [9], das 2004 publiziert wurde. In den vergangenen Jahren wurden diese Empfehlungen durch weitere wissenschaftliche Erkenntnisse und klinische Erfahrungen modifiziert und weiter verfeinert.


Behandlungsalgorithmus

bei infizierten Gelenkprothesen

antibiotische Langzeitsuppression ·

permanente Arthrodese

Girdlestone

Débridement & Erhalt der Prothese

Einzeitiger Wechsel

Zweizeitiger Wechsel kurzes Intervall

Dreizeitiger Wechsel langes Intervall


Problemerreger


Chirurgisches Vorgehen

Die Wahl der optimalen Therapiestrategie hängt von anamnestischen, klinischen und mikrobiologischen Faktoren ab und wird durch einen Behandlungsalgorithmus erleichtert.

Der erste entscheidende Schritt ist die Unterscheidung zwischen akuten und chronischen Infekten, da bei akuten Infektionen mit unreifem Biofilm und fehlenden erschwerenden Bedingungen (Problemerreger, Fistel, Prothesenlockerung, kompromittierte Weichteile/Knochen) die Prothese erhalten werden kann.

Voraussetzung hierfür ist ein gründliches Débridement mit kompletter Entfernung sämtlicher Zementreste und Sequester sowie der Wechsel der mobilen Teile.

Liegt ein komplizierter akuter oder ein chronischer Infekt vor, ist ein Prothesenwechsel unausweichlich, sofern das Ziel die Heilung der Infektion ist. Abhängig von klinischen sowie mikrobiologischen Kriterien wird ein ein- oder zweizeitiger Wechsel empfohlen. Bei chronischer Protheseninfektion ohne komplizierende Faktoren kann ein einzeitiger septischer Wechsel (mit oder ohne Zementierung) erfolgen. Bei Nachweis von Problemerregern sowie bei vorliegender Fistel und kompromittierten Weichteilen/Knochen muss ein zweizeitiges Vorgehen gewählt werden. Dabei wird zwischen Explantation der infizierten Prothese und der Reimplantation der neuen Prothese ein kurzes (2–3 Wochen) oder ein langes (6–8 Wochen) Intervall mit antibiotischer Behandlung zwischengeschaltet. Diese Zeitspanne kann mittels antibiotikahaltigem Zementspacer als Platzhalter und Totraumbehandlung oder Arthrodese (beim Knie) beziehungsweise Girdlestone-Anlage (bei der Hüfte) überbrückt werden. Falls kein Problemerreger nachgewiesen wird und der lokale Befund zufriedenstellend ist, kann die Prothese bereits nach einem kurzen Intervall von 2–3 Wochen reimplantiert werden, was die rasche Mobilisierung und Entlassung des Patienten aus dem Krankenhaus ermöglicht.

Bei chronisch rezidivierenden oder persistierenden Infektionen trotz adäquater Behandlung wird ein dreizeitiges Vorgehen empfohlen, wobei nach drei Wochen ein zusätzliches Débridement und Spacerwechsel durchgeführt wird. Der definitive Einbau der Prothese wird erst weitere drei Wochen nach dem Prothesenausbau durchgeführt.


In ausgewählten Fällen ist ein ersatzloser Ausbau mit definitiver Girdlestonesituation oder eine permanente Arthrodese die einzige Option. In Ausnahmefällen ist keine Heilung sondern eine Unterdrückung der Infektion das Ziel der Behandlung, beispielsweise bei inoperablen Patienten, bei Patienten, die eine Operation ablehnen oder keine Gelenkfunktion benötigen (paretische Extremität, insuffizienter Streckapparat am Knie). In solchen Fällen kann eine antibiotische Langzeitsuppression über Monate bis Jahre mit dem Ziel der Verhinderung einer symptomatischen Infektion erwogen werden. Da bei diesem Vorgehen keine Eradikation angestrebt wird, sollte kein Rifampicin eingesetzt werden, sondern gut verträgliche Antibiotika wie Cotrimoxazol, Doxycyclin oder Clindamycin. Nach dem Absetzen der Therapie ist jedoch mit einem Wiederaufflammen des Infekts zu rechnen. Bei hoher Keimlast kann alternativ auch ein „cycling“ im Sinne eines Substanzwechsels alle 3–4 Wochen erfolgen, um die Toleranz des Patienten zu erhöhen und eine Selektion resistenter Bakterien zu vermeiden.

Eine künstliche Fistel zur dauerhaften Entlastung von Flüssigkeit wird heute selten angelegt, da in den meisten Fällen mit dem oben beschriebenen Behandlungsalgorithmus eine Heilung möglich ist. Bei stabilen Fisteln sollte wegen Gefahr der Resistenzentwicklung keine Antibiotikagabe erfolgen.


Antibiotische Therapie

Für alle chirurgischen Vorgehensweisen und betroffenen Gelenke sollte die antibiotische Behandlung zwölf Wochen lang durchgeführt werden. Beim zweizeitigen Wechsel wird zuerst im prothesenfreien Intervall eine Reduktion der Bakterienzahl erzielt, erst nach Implantation der neuen Prothese wird die Biofilm-aktive Therapie  eingesetzt.

Trotz ausreichende Antibiotikatherapie Prothesenlockerungen und Infekten ist das Problem nicht gelöscht. Eine weitere Option ist das Überlegen eine Prothesenwechsel auf die so genannten Silber beschichtete Prothesen.

Silber-Beschichtung

Hintergrund


Implantcast hat zusammen mit der Universitätsklinik Münster eine einzigartige Silberbeschichtung entwickelt, die seit 2004 auf Komponenten des MUTARS® Tumorsystems Anwendung findet.
Die Eigenschaften des Silbers werden bei den beschichteten Komponenten genutzt, um das Infektionsrisiko zu reduzieren und die Standzeit einer Prothese zu erhöhen.

Silber
Silber, im Speziellen freie Silberionen, sind für ihr breites antimikrobielles Spektrum bekannt. So zeigte sich bei Komponenten mit Silberbeschichtung eine Verringerung der bakteriellen Kolonisation der Prothesenoberfläche. Das Risiko einer Entzündungsreaktion und der damit einhergehende Lockerungsmechanismus wird verringert und dem Patienten somit eine infektionsbedingte Wechseloperation oder schlimmstenfalls Amputation erspart. Zu den Vorteilen im Vergleich zu Antibiotikahaltigen Beschichtungen zählen der kontinuierliche und lang anhaltende antimikrobielle Effekt der Silberionen sowie die erschwerte Resistenzbildung.1 
Im klinischen Einsatz konnte die Wirksamkeit der Silberbeschichtung belegt werden.2-6
Derzeit können alle Implantatoberflächen mit Silberbeschichtung versehen werden, die nicht in direktem Knochenkontakt stehen oder an der Artikulation der Prothesen beteiligt sind.
Bislang wurden silberbeschichtete Komponenten in 12.500 Versorgungen erfolgreich eingesetzt.

Die Vorteile dieser Schicht:


  • Reduzierte Infektionsraten
  • Langzeitprophylaxe durch kontinuierliche Silberionenabgabe
  • Erschwerte Resistenzbildung
  • Bereits erfolgreich im klinischen Einsatz

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